Schliemann und das Gold von Troja: Mythos und Wirklichkeit by Frank Vorpahl
Autor:Frank Vorpahl [Vorpahl, Frank]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Biographie, Archäologie
ISBN: 9783462303810
Goodreads: 60190607
Herausgeber: Galiani Berlin
veröffentlicht: 2021-07-31T22:00:00+00:00
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 9
Einzug in den Tempel
Schmuggel-Prozess und die »Maske des Agamemnon«
Das Gold aus Troja: Heinrich Schliemann mochte es ausgegraben, mythisch aufgeladen und werbewirksam präsentiert haben â doch es gehörte ihm nicht. Das Osmanische Reich, mit England und Frankreich im Bunde gegen Russland, lieà sich nicht folgenlos bestehlen. Und ebenso wenig wäre es für ein groÃes europäisches Museum ratsam gewesen, ein derart bekanntes und so offensichtlich geschmuggeltes Diebesgut auszustellen oder gar in seinen Bestand aufzunehmen. Der stolze Entdecker aber wollte genau das. Erst die Kanonisierung seines Fundes, die offizielle Anerkennung durch eine bedeutende Kulturinstitution, sicherte seinem »Schatz des Priamos« einen Platz in den Annalen der Menschheitsgeschichte und damit seinen ewigen Entdeckerruhm.
Heinrich Schliemann hatte das Problem bereits erkannt und angepackt, bevor sein Gold aus Troja überhaupt auf der Bildfläche erschien. Natürlich kannte er Philipp A. Déthier (1803â1881), den deutschstämmigen Direktor des Kaiserlichen Museums von Konstantinopel, und hatte ihm einen Deal vorgeschlagen: Sollte die Türkei Schliemanns bisherige Funde aus Hissarlik als dessen Eigentum anerkennen, so würde er die weiteren Funde seiner Grabungen in Troja dem Museum in Konstantinopel überlassen.[584] Der Museumsdirektor aus Konstantinopel verzichtete darauf, einen Anspruch der Türkei geltend zu machen, und erbat sich von Schliemann lediglich einige schöne Fundstücke mit dem Eulengesicht der »ilischen Minerva«. Darauf aber ging Schliemann nicht ein, sondern präzisierte sein Angebot: Er würde ein weiteres Vierteljahr mit bis zu 150 Männern in Troja graben und der türkischen Regierung alle Artefakte aushändigen, wenn dafür sein Eigentumsrecht an den bisherigen Funden anerkannt würde.[585] Doch trotz intensiver Bemühungen des US-Botschafters George K. Boker bei der Hohen Pforte und persönlichen Versuchen Schliemanns, den türkischen Minister für Volksaufklärung Savfed-Pascha für diese spekulative Wette auf künftige Grabungserfolge zu gewinnen â es kam zu keiner gütlichen Einigung.
»Mehr als hundert Firmans sind seit zehn Jahren für Ausgrabungen in der Türkei erteilt worden«, klagte Schliemann in einem Brief an seinen Verlegerfreund Brockhaus, »und in allen ohne Ausnahme ist die Bedingung gestellt worden, die Hälfte abzugeben; und doch bin ich bis jetzt der einzige gewesen, von dem die Türken wenigstens etwas gekriegt haben; denn ich habe sieben Pithoi, auch vier Säcke mit steinernen Werkzeugen geschickt, während sie sonst von niemandem je das Allergeringste erhalten haben â¦Â«[586]
Indes wurde das Gold aus Troja durch Schliemanns eifrige Werbetrommel immer berühmter, und so nahmen auch die Begehrlichkeiten am Bosporus zu. SchlieÃlich reichte die Türkei im Frühjahr 1874 Klage auf Rückgabe des Schatzes oder einen Schadensersatz in Höhe von 625.000 Francs ein, mit der Folge, dass die türkische Regierung von den griechischen Behörden verlangte, das strittige Gold aus Hissarlik bis zur Klärung der Besitzverhältnisse zu beschlagnahmen. Konstantinopel forderte Athen zudem auf, Schliemanns Aktien in der Athener Nationalbank bis zu einem endgültigen Gerichtsurteil zu beschlagnahmen, was Griechenland tatsächlich zusagte.[587] Schliemann meinte schon, die osmanische Flotte werde in Piräus erscheinen, um militärisch Druck auszuüben, und fragte bei seiner Botschaft nach, ob man notfalls mit dem Eingreifen der US-Marine rechnen könne.[588] Aus Angst vor einer Konfiskation lieà er seinen »Schatz des Priamos« wieder verschwinden. Verpackt in sechs versiegelte Kisten, wurde das Gold bei diversen Verwandten Sophia Schliemanns untergebracht.
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